COVID-19: Bundesministerien kommunizieren oft unverständlich

Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim und clavis Kommunikationsberatung analysierten Pressearbeit der deutschen und österreichischen Ministerien auf formale Verständlichkeit und Sprache – Österreichische Ministerien kommunizieren verständlicher als deutsche

Im März und April 2020 gab es für die Pressestellen der Bundesministerien in Deutschland und Österreich fast nur ein Thema: den Ausbruch und die Bewältigung der Coronakrise. Das zeigte sich auch in der Anzahl der Pressemeldungen zum Coronavirus. In Deutschland lancierten die 14 Ministerien im März und April 276 Pressemitteilungen. In Österreich informierten das Bundeskanzleramt und die 12 Ministerien mit 236 offiziellen Pressetexten.

Was einem Großteil dieser Presseaussendungen gemeinsam ist: Schachtelsätze mit bis zu 80 Wörtern und sperrige Fachbegriffe wie E-Card-Foto-Registrierungs-Stellen oder Künstler-Sozialversicherungsfonds-Gesetz machen die Texte oft unverständlich. Das ist das Ergebnis einer Analyse von Kommunikationswissenschaftern der Universität Hohenheim in Stuttgart und der clavis Kommunikationsberatung mit Standorten in Wien, Innsbruck und Bregenz.

Mit Hilfe einer Analyse-Software suchten die Wissenschaftler nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen und Fremdwörtern. Anhand dieser und weiterer Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ (HIX). Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).

Krisenkommunikation muss Orientierung schaffen
Die österreichischen Ministerien und das Bundeskanzleramt kommen nur auf einen Durchschnittswert von 8,4 Punkten und sind im Schnitt relativ unverständlich. „Die Bundesregierung hat vieles richtig gemacht in diesen schwierigen Zeiten“, sagt Ulrich Müller, Geschäftsführer der clavis Kommunikationsberatung. Dennoch könne man immer besser werden und aus der Erfahrung lernen. „Eines der wichtigsten Ziele der Krisenkommunikation ist es, im unsicheren Umfeld Orientierung für alle Beteiligten zu schaffen. Verständliche Kommunikation, Offenheit und Transparenz ersparen oft Kritik danach“, so Müller.

Wenn Menschen das Warum und Wozu verstehen, dann würden sie auch einschränkende Maßnahmen mittragen. Wenn sie hingegen Parteipolitik in der Kommunikation spüren, führe das zu einer Abwehrhaltung. „In Österreich haben wir gesehen, wie schnell die Regierung von steigenden Zustimmungswerten profitiert hat. Aber auch, wie rasch sie wieder an Zustimmung verloren hat.“

Österreich: Gesundheitsministerium auf Platz eins
Die Pressemitteilungen der deutschen Ministerien kommen im Schnitt auf einen Wert von 7,05 Punkten. Den besten Wert erzielt in Österreich das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (9,75 Punkte). Auf Platz zwei landete das Bundesministerium für Justiz mit 9,45 Punkten. In Deutschland kommunizierte das Bundesfinanzministerium (9,95 Punkte) am verständlichsten.

Die Experten haben außerdem die vier Themengebiete „Gesundheit“, „Arbeit und Wirtschaft“, „Soziales und Alltag“ sowie „Kindergarten, Schule und Uni“ analysiert. Die Pressetexte zum Themenbereich Gesundheit erreichten in Österreich mit 9,45 Punkten den höchsten Wert. Aussendungen zu „Kindergarten, Schule und Uni“ schafften nur 6,65 Punkte. Auch in Deutschland kamen die Gesundheits-Texte auf den besten Wert (8,15 Punkte), ex aequo mit Pressemeldungen zu „Kindergarten, Schule und Uni“. Medieninformationen zum Bereich „Soziales und Alltag“ waren besonders unverständlich formuliert (6,65 Punkte).

Gerade in Krisenzeiten ist verständliche Kommunikation gefragt
„In Krisenzeiten suchen Menschen Informationen und Orientierung. Regierungen sollten beides liefern. Und zwar in einer auch für Laien verständlichen Form. Informationen zur Corona-Pandemie und zu den staatlichen Schutzmaßnahmen sollten besonders verständlich sein. Sie sind es aber nicht“, meint der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim.

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Über clavis Kommunikationsberatung
clavis ist ein Kommunikationsberatungsunternehmen mit Standorten in Wien, Innsbruck und Bregenz. clavis betreut nationale und internationale Kunden aus der Wirtschaft, dem öffentlichen Sektor, Verbände und Organisationen in allen Bereichen strategischer Kommunikation. Das Beratungsunternehmen beschäftigt 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Fotonachweis: © Unsplash / John Schnobrich

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