COVID-19: Damit Bürgerinnen und Bürger nicht nur Bahnhof verstehen

Vor allem in Krisenzeiten ist es von großer Bedeutung, Orientierung und Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen. Eine aktuelle Studie zeigt: Bei der Verständlichkeit der Kommunikation in der Coronakrise haben die Ministerien in Österreich und Deutschland Luft nach oben.

E-Card-Foto-Registrierungs-Stellen. Corona Matching Fazilität. Künstler-Sozialversicherungsfonds-Gesetz. Die österreichischen und deutschen Bundesministerien verwendeten in ihren Pressemitteilungen während der Corona-Krise zahlreiche solcher Fachbegriffe und Wortungetüme. Dazu kamen Monstersätze mit bis zu 80 Wörtern. Oft verstehen die BürgerInnen nur Bahnhof. Aber gerade In Krisenzeiten suchen Menschen Informationen und Orientierung. Regierungen sollten beides liefern. Und zwar in einer auch für Laien verständlichen Form. „Informationen zur Corona-Pandemie und zu den staatlichen Schutzmaßnahmen sollten besonders verständlich sein. Sie sind es aber nicht“, sagt Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. 

Gemeinsam haben Uni und clavis Kommunikationsberatung die Pressearbeit der deutschen und österreichischen Ministerien auf formale Verständlichkeit und Sprache untersucht. Untersuchungszeitraum waren März und April 2020. Über die Ergebnisse sprechen wir mit Prof. Brettschneider in den clavis Schlüsselgesprächen, unserem regelmäßigen Podcast zu aktuellen Themen.

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Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • Mit einem Durchschnittswert von 8,4 erweisen sich die österreichischen Pressemitteilungen als relativ unverständlich. Deutschlands Pressetexte liegen mit einem HIX-Wert von 7,1 noch weiter darunter.
  • Mit einem Verständlichkeitsindex von 9,75 schneidet das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in Österreich am besten ab. Auf Platz zwei liegt das Bundesministerium für Justiz mit 9,45 Punkten. In Deutschland liegt das Finanzministerium mit 10 Punkten auf Platz eins.
  • Zudem wurden die vier Themengebiete „Gesundheit“, „Arbeit und Wirtschaft“, „Soziales und Alltag“ sowie „Kindergarten, Schule und Uni“ in den Fokus genommen. Hierbei erreichten die Pressetexte Österreichs im Bereich Gesundheit den höchsten Wert mit 9,45 Punkten. Aussendungen zu „Kindergarten, Schule und Uni“ erlangten hingegen nur 6,65 Punkte. In Deutschland sind die Pressemitteilungen im Bereich „Soziales und Alltag“ am unverständlichsten mit einem HIX-Wert von 6,7.

Hintergrund: Mit Hilfe einer Analyse-Software suchten die Wissenschaftler nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen und Fremdwörtern. Anhand dieser und weiterer Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ (HIX). Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).

Aus Erfahrung lernen

„Die Bundesregierung hat vieles richtig gemacht in diesen schwierigen Zeiten“, sagt Ulrich Müller, Geschäftsführer der clavis Kommunikationsberatung. Dennoch könne man immer besser werden und aus der Erfahrung lernen. „Eines der wichtigsten Ziele der Krisenkommunikation ist es, im unsicheren Umfeld Orientierung für alle Beteiligten zu schaffen. Verständliche Kommunikation, Offenheit und Transparenz ersparen oft Kritik danach“, so Müller.

Wenn Menschen das Warum und Wozu verstehen, dann würden sie auch einschränkende Maßnahmen mittragen. Wenn sie hingegen Parteipolitik in der Kommunikation spüren, führe das zu einer Abwehrhaltung. „In Österreich haben wir gesehen, wie schnell die Regierung von steigenden Zustimmungswerten profitiert hat. Aber auch, wie rasch sie wieder an Zustimmung verloren hat.“

Wie Forschungseinrichtungen klarer kommunizieren können, verraten wir übrigens hier.

Bildnachweis Aufmacherfoto: © Unsplash / Tonik

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