Prof. Dr. Christoph Moss ist Experte für Newsroom-Organisation und hat international bereits zahlreiche Projekte umgesetzt, etwa bei Siemens und Datev. Moss ist Autor mehrerer Fachbücher und Geschäftsführer der Agentur Mediamoss GmbH. Er unterrichtet Kommunikation und Marketing an der International School of Management in Dortmund und Köln und erläutert im Interview die Relevanz vom Newsroom-Konzept.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- Beim Newsroom-Konzept geht es um ein Umdenken in der Unternehmenskommunikation – bevor ein Inhalt produziert wird, muss klar sein, warum und in welchem Format er für welchen Kanal erstellt wird.
- Ein Newsroom kann auch in kleinen und mittleren Unternehmen umgesetzt werden. Eine räumliche Anpassung wird empfohlen, ist aber keine Voraussetzung.
- Bei Inhalten zählt Qualität, nicht Quantität. Im Newsroom wird nur kommuniziert, was relevant ist.

Sehr geehrter Prof. Dr. Moss, was unterscheidet Ihr Newsroom-Modell von herkömmlicher Unternehmenskommunikation und welchen Nutzen hat es?
In vielen Unternehmen ist es immer noch so, dass Inhalte ohne Strategie produziert werden – frei nach dem Motto: „Wir haben ein Video gedreht, poste das mal.“ So werden gleichzeitig verschiedene Themen auf verschiedenen Kanälen kommuniziert – intern, extern, über Social Media oder die Presse.
Beim Newsroom-Konzept geht es darum, VOR der Produktion eine klare Idee zu haben, welcher Content für welchen Kanal produziert wird, also Themen von Kanälen und Plattformen zu trennen.
Es geht darum, Grenzen aufzuheben, sich vom „Silodenken“ zu lösen. Wir heben alte Kommunikationsstrukturen auf und richten den Fokus auf den Inhalt, immer geleitet von der Frage: Was ist relevant? Was nicht? Ist der Content sinnvoll und interessant? Dadurch erhöht sich das Tempo in der Produktion und der inhaltliche Wert wird höher. Themen lassen sich auf diese Weise besser komprimieren. Es geht immer um einen Inhalt, den man über mehrere Kanäle ausspielen kann. Im Prinzip denkt man in kleinen Kampagnen. Den Satz „Schreib‘ mir mal eine Pressemitteilung!“ wird es so in Zukunft nicht mehr geben.
Gleichzeitig empfehlen wir, den Kommunikationsmarkt zu beobachten, um zu sehen, was diskutiert wird. Daraus lassen sich Themen für die eigene Produktion ableiten.
Für welche Unternehmen macht ein Newsroom Sinn? Gibt es Leitgrößen, z.B. die Anzahl der Mitarbeiter?
Die Größe eines Unternehmens spielt keine Rolle. Die meisten Newsrooms haben meiner Erfahrung nach zwischen 20 und 40 Mitarbeiter. Man könnte fast sagen: je kleiner, desto besser, da es dann weniger Schnittstellen gibt. Das Newsroom-Modell ist eine Frage der Denkhaltung, eine Kommunikations-Philosophie, die man erst lernen muss. Der Nachdenk- und Planungsprozess passiert vor der Produktion. Die Einrichtung eines Newsrooms ist im Optimalfall auch räumlich spürbar. Wenn MitarbeiterInnen in großen Räumen zusammensitzen, ist gemeinsames Arbeiten möglich.
Die Einführung des Newsroom-Konzepts ist ein großer Eingriff in unternehmensinterne Abläufe. Wie geht man mit Widerstand um?
Beim Newsroom-Modell kommt es zu einer spürbaren Reorganisation, es handelt sich also um ein klassisches Change-Projekt. Wie bei solchen Prozessen typisch, ist zu Beginn jeweils ein Drittel der Beteiligten dem Projekt gegenüber positiv, neutral oder negativ eingestellt. Ablehnende Haltungen werden meiner Erfahrung nach aber schnell aufgegeben und wandeln sich in Zustimmung. Insgesamt haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter durch den Prozess gestiegen ist.
Stichwort Content Marketing und Content Shock: Braucht jedes Unternehmen einen Blog?
Content ist für jedes Unternehmen notwendig, das war schon immer so. Wer nicht gerade in der Situation ist, eine Ware billiger als alle anderen zu produzieren, braucht Inhalte. Klassische Marken, aber auch Dienstleistungen definieren sich vor allem durch ihre Geschichte.
Ein weiterer Grund, warum Content heute unerlässlich ist, ist die Digitalisierung. Google und Soziale Netzwerke orientieren sich an Inhalten.
Zum Thema Content Shock: Natürlich braucht es das richtige Maß an Inhalten, das entspricht ganz der Newsroom-Idee: Wir kommunizieren dann, wenn wir etwas mitzuteilen haben, sonst nicht. „Viel hilft viel“ ist nicht der richtige Ansatz und – nebenbei – für die meisten Unternehmen auch nicht finanzierbar. Man muss sich immer fragen: Warum mache ich das? Will ich verkaufen, also Leads generieren, oder Aufmerksamkeit erzielen? Content Marketing hat vor allem den Zweck, Öffentlichkeit zu schaffen. Das Newsroom-Konzept besagt, dass es auch Sinn macht, sich an mancher Stelle zurückzunehmen.