Eine Herkulesaufgabe: Covid-19-Krisenkommunikation in den Krankenhäusern

Die größte Gesundheitskrise unserer Zeit stellt in den Spitälern nicht nur Pflegekräfte und Ärzt:innen auf eine nie dagewesene Belastungsprobe, sondern auch die Kommunikation. Im Interview spricht Andrea Marosi-Kuster, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft (KHBG), über hohe Anforderungen an die interne wie externe Kommunikation, den Spagat zwischen Vorgaben, Aufklärung und Motivation – und wie Krisenkommunikation gelingt. clavis hat die Vorarlberger Krankenhäuser von Anfang an durch die Pandemie begleitet.

Vor zwei Jahren gingen Bilder aus den hoffnungslos überfüllten Spitälern Italiens um die Welt. Auch in Vorarlberg wurden bereits Vorkehrungen getroffen, um die Gesundheitsversorgung auf eine mögliche Welle vorzubereiten. Wie rüstete sich die Kommunikation der Landeskrankenhäuser?

Uns war bewusst, dass wir in dieser Ausnahmesituation mit einem massiven Kommunikationsbedarf konfrontiert sein würden. Wir mussten unsere Abläufe und Inhalte rasch auf die wichtigsten Ziel- und Dialoggruppen anpassen und verstärken: an unsere Mitarbeitenden, Journalist:innen und Medien und an Patient:innen mit ihren Angehörigen sowie die Bevölkerung.

Andrea Marosi Kuster

Im Auftrag des Landes hatte clavis bereits ein Maßnahmenkonzept für die Covid-19-Krisenkommunikation in den Krankenhäusern erstellt, an dem wir uns orientieren konnten. In der ersten Welle lag auch die gesamte Kommunikation nach außen noch beim Land. Wir lieferten (fachliche) Inhalte und unterstützten bei Maßnahmen wie der Personalrekrutierung für den Freiwilligenpool „Helfende Hände“.

Wie erlebten Sie die Stimmung damals?

Die Anspannung und die Unsicherheit, was nun kommen würde, war natürlich bei allen enorm. Bei den Mitarbeitenden spielte auch Angst um die eigene Sicherheit durch den Umgang mit infizierten Patient:innen eine Rolle. Ihr Informationsbedarf war immens. Der internen Kommunikation kam damit eine Schlüsselrolle zu. Unsere Aufgabe war es, so gut wie möglich aufzuklären und Ängste abzubauen.

Gleichzeitig mussten unzählige Verordnungen, die es quasi über Nacht umzusetzen galt, in verständliche Worte gefasst und weitertransportiert werden. Dabei musste gewährleistet sein, dass dringliche Informationen alle Mitarbeitenden rasch erreichen. Dazu setzten wir mehrere Kommunikationsinstrumente ein: altbewährte wie digitale Newsletter, das schwarze Brett oder Intranet, ergänzend dazu neue wie einen Kurznachrichtendienst oder Extranet.

Mit welchen zentralen Themen hatten Sie in der ersten Welle zu tun?

Zunächst mit dem Bereich Schutzausrüstung. Mundschutz oder Desinfektionsmittel waren äußerst knapp – das forderte vor allem unser Einkaufsmanagement enorm. Die Hygiene arbeitete laufend Anleitungen aus, wie sich die Mitarbeitenden bestmöglich schützen können. Wir sensibilisierten für einen sparsamen Umgang mit Schutzmaterialien und packten die Vorgaben der Hygiene in Videos und Newsletter-Beiträge.

Ein äußerst sensibles Thema, das die Kommunikation bis heute fordert, ist das Besuchsverbot. Zudem haben wir die Häuser bei der Angehörigenkommunikation unterstützt. Dann haben wir die Serie „Corona-Expertenvideos“ gestartet. Mit gezielten Botschaften an die Bevölkerung wollten wir informieren und die Krankenhäuser als stabile Konstante in der Krise positionieren: „Wir bewerkstelligen die Versorgung auch jetzt.“

Am Beginn der Pandemie hat die Krankenhausbetriebsgesellschaft die „Task Force Covid-19“ ins Leben gerufen: Verantwortliche aus allen Bereichen des Vorarlberger Gesundheitswesens tauschen sich regelmäßig aus und beraten die nächsten Schritte. In diesem Gremium agieren wir nicht nur als Befehlsempfänger, sondern auch als Radar – als Stimmungsmesser für Themen, die besonderes Fingerspitzengefühl in der Kommunikation erfordern.

Die wichtigsten Erkenntnisse in der Covid-19-Krisenkommunikation

  • Neue Kommunikationskanäle: Speziell in der ersten Welle war es wichtig, die Mitarbeitenden möglichst rasch mit Informationen versorgen zu können. Für bessere Erreichbarkeit wurde u.a. ein Extranet aufgebaut und ein SMS-Service eingerichtet.
  • Lagebericht Covid-19: Jeden Vormittag gingen zuverlässig alle relevanten Daten aus den Spitälern – von Neuaufnahmen, Entlassungen und Todesfällen über aktuell Hospitalisierte und freie Betten bis zu Personalausfällen – an die Medien. Zahlreiche Anfragen von Journalist:innen ließen sich dadurch abfedern.
  • Institutionalisierte Pressegespräche: Als sich die Situation zuspitzte, wurden regelmäßige Pressegespräche durchgeführt, um die Öffentlichkeit aus erster Hand zu informieren. Medien hatten Gelegenheit, mit den Referent:innen auch persönliche Interviews zu führen. So konnte die Medienarbeit zu einem guten Teil aus dem fordernden Berufsalltag der Medizier:innen und Pflegekräfte herausgelöst werden.

Im Herbst 2020 ging die Pandemie nach einem entspannten Sommer in die Fortsetzung. Was brachte die zweite Welle für die Krisenkommunikation mit sich?

Im September 2020 erfolgte die Umstellung der Öffentlichkeitsarbeit in Richtung „Expert:innenkommunikation“. Anstelle des Landes waren nun wir, die Unternehmenskommunikation der KHBG, Sprachrohr für alle Vorarlberger Spitäler – mit denselben Personalressourcen. Unser Team stand in dieser Zeit unter hohem Druck durch die Medien. Täglich erreichten uns mehr Anfragen als vor der Pandemie in einem Monat! Dieser Ansturm war kaum zu bewältigen. Für ein wenig Entlastung sorgte der neu eingeführte tägliche Lagebericht, mit dem wir Journalist:innen zuverlässig versorgten. Diesem konnten sie alle relevanten Informationen aus den Spitälern entnehmen.

Im November 2020, als die Lage in den Spitälern immer prekärer wurde, begannen wir dann gemeinsam mit dem KH Dornbirn, regelmäßige Pressekonferenzen durchzuführen. Unter den geltenden Sicherheitsmaßnahmen fanden diese stets in Präsenz statt. Die Anfragen konnten dadurch gebündelt werden. Das spielte mehr Ressourcen für die interne Kommunikation frei. Noch ein wichtiger Punkt: Durch ihre Teilnahme am Mediengespräch konnten sich gefragte Gesprächspartner wie der Intensivkoordinator wieder besser auf ihre eigentliche Arbeit und den medizinschen Aufgabenbereich im Krankenhaus konzentrieren.

Und wie stellte sich die Situation in der internen Kommunikation dar?

Nach wie vor gab es neue Verordnungen zu kommunizieren. Dann rückte die Impfung immer näher – unsere Aufgabe war es, die interne Impfkampagne auf Schiene zu bringen. Und je länger die Pandemie anhielt, umso mehr stieg die physische und psychische Belastung der Mitarbeitenden. Umso wichtiger wurde es, in der Kommunikation den Zusammenhalt zu unterstützen, die Mitarbeitenden zu motivieren. Das gilt heute mehr denn je. Gemeinsam mit der Personalabteilung wurden Mitarbeiter:innen-Aktionen umgesetzt.

Neben all den Anforderungen, die in Rahmen der Krisenkommunikation gegenüber Ihren Ziel- und Dialoggruppen zu erfüllen sind: Gibt es für Sie auch eine Art übergeordneten Anspruch?

Als Landesgesellschaft müssen wir als KHBG in der Kommunikation den Spagat zwischen Gesundheitseinrichtung und Politik schaffen. In der Pandemie haben wir uns bewusst abgegrenzt: Wir agieren nicht politisch, sondern sind über allem der Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung verpflichtet. Unser Anspruch war und ist es, transparent und engmaschig zu kommunizieren und den Menschen im Land damit Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln.

Lässt sich der Pandemie aus der Sicht der Krankenhäuser auch etwas Positives abgewinnen?

Unabhängig von den Belastungen für das Gesundheitssystem und all die Menschen, die dort arbeiten, hat sich die Bedeutung der Krankenhäuser gewandelt. Die Pandemie hat die Spitäler mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Wir sind verstärkt als „Wissensinstanz“ wahrgenommen worden und haben letztlich einen Leistungs- und Kompetenzbeweis angetreten. Von daher ist die Coronakrise durchaus als Chance zu sehen: Sie hat dazu beigetragen, dass die Bedeutung einer intakten Spitalsversorgung in der Bevölkerung bewusst wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Die Krise hat uns auch gelehrt, dass gemeinsam alles zu bewältigen ist.

Brauchen Sie Unterstützung bei Ihrer Krisen- oder Unternehmenskommunikation?

Die Expert:innen von clavis beraten Sie gerne.

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