Es gibt ein Leben nach Corona

Die mediale Berichterstattung des ersten Halbjahres 2020 wurde fast ausschließlich vom Coronavirus dominiert. Zuvor relevante Themen, allen voran der Klimawandel, rückten dadurch völlig in den Hintergrund. Medienforscher Matthias Vollbracht, Leiter der Abteilung Research von Media Tenor, analysiert im clavis-Schlüsselgespräch die Themenkarriere von Corona und worauf sich Unternehmen in den nächsten Monaten vorbereiten müssen.

Auch die Medienberichterstattung befand sich nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Ausnahmezustand. „So etwas habe ich in 26 Jahren Forschung nicht erlebt, vor allem nicht in dieser Intensität“, sagt Medienforscher Matthias Vollbracht, Leiter der Abteilung Research von Media Tenor. In den Monaten März und April beherrschte nämlich nur ein Thema die Medien: die weltweite Coronapandemie. In dieser Krise veränderten sich Agenda-Setting-Prozesse, die mediale Dominanz des Coronavirus stellte Unternehmen vor Herausforderungen und andere Themen blieben in den Nachrichten gänzlich auf der Strecke.

Über die Medienberichterstattung in Corona-Zeiten sprechen wir mit Matthias Vollbracht in den clavis-Schlüsselgesprächen, unserem Podcast zu aktuellen Themen.

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Die wichtigsten Aussagen

Dominanz des Coronavirus in den Medien
In den meisten Ländern nahm der gesundheitliche Aspekt des Coronavirus in der medialen Berichterstattung einen Anteil von über 50 Prozent ein. Hinzu kamen noch wirtschaftliche und soziale Folgen der Pandemie, die den Nachrichtenanteil des Virus in mehreren Ländern sogar auf über 90 Prozent erhöhten. Eine derart intensive Berichterstattung kommt ansonsten nur in gewissen Fällen der Kriegsberichterstattung vor – aber auch hier nicht über Monate hinweg.

Andere Themen setzen sich wieder durch
Seit der Verbesserung der Corona-Situation halten wieder andere Themen Einzug in die mediale Berichterstattung. Betrachtet man ein Sample von internationalen Nachrichten im Juni und Juli, so hat sich die Aufmerksamkeit der Medien in Bezug auf Corona auf 30% reduziert.  Rassismus und Polizeigewalt erhielten vor allem in der Berichterstattung der USA ab Ende Mai enorme Aufmerksamkeit. Zudem nehmen Fragen zur weiteren Entwicklung im Tourismus, innenpolitische sowie internationale Angelegenheiten wieder einen hohen Stellenwert in den Nachrichten ein.

Medien spiegeln Nachrichtenwünsche der BürgerInnen begrenzt wider
Geschlossene Kindergärten, Home-Schooling und Digitalisierung waren zu Beginn der Pandemie in allen Nachrichten, verschwanden aber wieder rasch von der Bildfläche, obwohl sie im Interesse zahlreicher Menschen liegen. Auch der Klimawandel erhält zunehmend weniger mediale Aufmerksamkeit, obwohl dieser ein großes Anliegen vieler ist. Generell kann hier gesagt werden, dass Medien die Nachrichtenwünsche der BürgerInnen nur begrenzt widerspiegeln.

Keine zweite kommunikative Welle
Der Medienforscher geht davon aus, dass Corona kein zweites Mal derart in den medialen Fokus geraten wird. Die erste Welle der Pandemie begann mit Katastrophenberichterstattung aus Wuhan und Horrorbilder von Sterbenden aus Italien gingen um die Welt. Geringe Kontrolle und eine große Unsicherheit im Umgang mit der Pandemie schürten Panik in der Bevölkerung. Mittlerweile ist das Coronavirus aber besser unter Kontrolle und auch die Politik geht sicherer mit dem Virus um. Nun ist wieder Raum für andere Themen, dennoch ist die Bevölkerung bezüglich Corona höchst sensibilisiert.

Worauf Unternehmen jetzt achten müssen

  • Aufgrund der überproportionalen Berichterstattung zum Coronavirus war und ist es für Unternehmen und Organisationen eine große Herausforderung, mit ihren Anliegen auf die öffentliche Agenda zu kommen.
  • Plötzlich gerieten sonst intern gehandhabte Themen in den Fokus der Öffentlichkeit, wie etwa das Thema Betriebsgesundheit. Unternehmen trugen hier nun große Verantwortung und wurden öffentlich beurteilt. Nur die wenigsten waren auf solche Szenarien vorbereitet.
  • Gesellschaftlich relevante Themen wie der Klimawandel und nachhaltiges Wirtschaften sollten bei Unternehmen trotz Corona auf der Agenda bleiben und öffentlich kommuniziert werden.
  • Aktuell besteht auch die Gefahr, dass Unternehmen Prognosen verweigern, was deren Reputation massiv gefährdet. Szenario-Prognosen, wie es etwa nach Corona am Arbeitsplatz weitergehen wird, müssen unbedingt vermittelt werden.
  • Agenda-Setting bekommt einen neuen Stellenwert: Unternehmen sind gefordert, relevante Botschaften für ihre Zielgruppe geschickt mit Corona zu verknüpfen.
Aufmacherfoto: ©unsplash / camilo jimenez

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