clavis-Geschäftsführer Harald Schiffl war kürzlich in einem Gespräch auf Ö1 zu Gast, um über Fehlerkultur und ihre Auswirkungen auf die Entstehung von Krisen zu sprechen. Dabei betonte er die Bedeutung von positiven Fehlerkulturen – nicht nur für das Vermeiden von Krisen, sondern auch für die Sicherung des Unternehmenserfolges. Hier können Sie die wesentlichen Argumente und Tipps zur Entwicklung einer passenden Fehlerkultur nachlesen.
Kürzliche Vorfälle wie die Wahlpanne der Sozialdemokratischen Partei Österreich oder die Vorwürfe gegenüber der Leiterin des Wiener Max-Reinhardt-Seminars machen es deutlich: Fehler können passieren, doch wie mit ihnen umgegangen wird, ist entscheidend. Eine gelungene Fehlerkultur schafft eine positive Arbeitsatmosphäre, die Organisationen und Unternehmen zu verbesserter Leistung verhelfen kann. Sie kann sogar dazu beitragen, Krisen – egal ob intern oder extern – abzumildern oder ganz zu verhindern.

Wieso braucht es eine gute Fehlerkultur in Unternehmen?
Ein positives und motivierendes Arbeitsumfeld ermöglicht es Mitarbeitenden, Leistung zu erbringen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei auch die Fehlerkultur. Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden ermutigen, Fehler offen anzusprechen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, sind erfolgreicher. Sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch das qualitative Miteinander eines Unternehmens profitieren von einer guten Fehlerkultur. Vor allem in Zeiten einer „gläsernen Gesellschaft“, in der Unternehmen unter ständiger öffentlicher Beobachtung stehen, sollte man der Versuchung, Fehler zu vertuschen, nicht nachgeben. „Je mehr man aber versucht, Fehler unter den Teppich zu kehren, desto wahrscheinlicher treten sie ans Tageslicht“, erläutert Harald Schiffl.
Außerdem kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden: Wenn Menschen im Unternehmen Angst davor haben, Fehler anzusprechen, häuft sich langfristig eine Lawine an Fehlern an. Wird diese dann losgetreten, leidet das Unternehmen nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch die Reputation. Schließlich ist eine gute Fehlerkultur auch für das Wohlbefinden der einzelnen Teammitglieder von großer Bedeutung und hat positive Auswirkungen. Haben Mitarbeitende nämlich das Gefühl, ihre Fehler nicht ansprechen zu können, kann dies zu einer psychischen Belastung werden und sich auf die Arbeitsleistung auswirken.
Merkmale einer guten Fehlerkultur
Was genau kennzeichnet nun gute Fehlerkulturen aus, die für ein positives Arbeitsklima sorgen? Harald Schiffl nennt die wesentlichen Faktoren:
- Fehlerkultur ≠ Sanktionskultur
„Zugeben heißt Schwäche“ ist der falsche Zugang. Schon im Schulalter bekommen wir aber vermittelt, dass Fehler schlecht sind und sanktioniert werden. Viel eher sollte der Ansatz darin bestehen, Fehler als Möglichkeit zur Verbesserung und zur aktiven Suche nach Lösungen für die Zukunft zu betrachten. - Fehlerkultur bedeutet Managementverantwortung
Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle im positiven Umgang mit Fehlern. Einerseits müssen sie aktiv zuhören und hinschauen, wenn Fehler passieren. Ein wertschätzender Umgang beinhaltet direkte Gespräche mit den betroffenen Personen und Zusammenarbeit bei der Problemlösung – beispielsweise, indem Abläufe geändert werden. Andererseits liegt es genauso in der Verantwortung von Führungskräften, eigene Fehler zuzugeben und damit eine Vorbildfunktion einzunehmen. Schließlich tragen Manager:innen nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine ethische Verantwortung ihrem Team gegenüber. - Fehlerkultur erfordert klares Handeln
Oft hemmt die Angst vor Reputationsschäden oder sogar juristischen Konsequenzen davor, Fehler aufzuzeigen und gegebenenfalls öffentlich zu kommunizieren. Dieses Zögern erhöht jedoch das Risiko, dass sich eine Krise entwickelt. Es ist wichtig, Fehler frühzeitig und klar anzuerkennen. Insbesondere bei Ereignissen, die für die Öffentlichkeit relevant sind, muss rechtzeitig kommuniziert werden. So können falsche Informationen unterbunden und die Situation aus der eigenen Perspektive und in der eigenen Sprache erklärt werden.
Strategien für die Implementierung einer Fehlerkultur in Unternehmen
Wichtig ist zu Beginn eine Erkenntnis: Je einfacher die Regeln und Vorgaben, desto weniger fehleranfällig sind sie. Das gilt auch für hochkomplexe Systeme. Die Kunst liegt also darin, auch in sehr sensiblen Bereichen die Einfachheit zu bewahren. Um das zu erreichen, ist eine Veränderung der Unternehmenskultur nötig.
Als ersten Schritt werden in einer Risikoanalyse mögliche Schwachpunkte oder Lücken identifiziert. Dafür werden Gespräche mit den Mitarbeitenden und Führungskräften durchgeführt. Anschließend sollte die aktuelle Fehlerkultur des Unternehmens genauer beleuchtet werden, um an den richtigen Stellschrauben anzusetzen. Es kann hierbei auch hilfreich sein, externe Berater:innen hinzuzuziehen, um einen neutralen Blick erhalten. Schließlich ist es, genauso wie bei jedem Veränderungsprozess, entscheidend, dass die (neue) Fehlerkultur von allen Beteiligten gelebt wird. Nur so kann ein positiver Umgang mit Fehlern garantiert werden.

Ist Fehlerkultur eine Frage der kollektiven Mentalität?
Die Art und Weise, wie mit Fehlern umgegangen wird, ist durchaus auch auf traditionelle und kulturelle Werte verschiedener Nationen zurückzuführen. Harald Schiffl beschreibt beispielhaft Fehlerkulturen in anderen Ländern, die als Vorbilder dienen können.
Insbesondere asiatische Länder wie Japan pflegen einen positiven Zugang zu Fehlern: Dort wird zunächst nach einer Lösung für das Problem gesucht, bevor die Ursache des Problems evaluiert wird. Hierzulande tendieren wir dazu, umgekehrt zu handeln: Zuerst wird ein Sündenbock gesucht, bevor wir uns der Problemlösung zuwenden.
Positive Fehlerkulturen erfordern ein Umdenken und den Willen, Fehler als Lernchance und Möglichkeiten zur Verbesserung zu sehen.