Der Babler-Frame – was die Parteitagsrede des neuen SPÖ-Vorsitzenden so besonders macht

Anfang Juni hat die SPÖ Andreas Babler zum neuen Bundesparteivorsitzenden gewählt. Am Parteitag wendete sich der Politiker mit einer emotionalen und mobilisierenden Rede an die Delegierten. Was seine Rede aus kommunikativer Sicht so besonders macht und was nicht nur politische Akteur:innen, sondern CEOs, Führungskräfte und Redenschreiber:innen lernen können, erfahren Sie im Schlüsselgespräch mit unseren clavis-Expert:innen Dieter Bitschnau und Christina Kumpusch.

Die Analyse beinhaltet keine politische Bewertung, sondern bezieht sich ausschließlich auf kommunikative Aspekte.

Die Inhalte im Überblick:

  • Was zeichnet die Parteitagsrede von Andreas Babler aus?
  • Wie schafft er es, das Herzstück seiner Rede zum Leben zu erwecken?
  • Welche Schlüsselbegriffe und Wordings verwendet er in seiner Rede?
  • Wie geht Andreas Babler mit dem Vorwurf um, dass seine politische Forderungen nur Träumereien sind?

Hier können Sie das gesamte Interview anhören:

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Tipps für eine erfolgreiche Rede

Jede Rede braucht ein Herzstück

Reden sind ein wichtiges Kommunikationsinstrument, um sich zu positionieren, die Zielgruppen vom eigenen Standpunkt zu überzeugen oder auch zu mobilisieren. Im Rahmen der Vorbereitung gilt es, eine zentrale Botschaft auszuarbeiten. Denn jede Rede braucht ein Herzstück, eine Kerngeschichte, die sich wie ein roter Faden durchzieht. Das ist Andreas Babler in zweierlei Hinsicht gelungen: Einerseits hat er die Mitglieder an die Wurzeln der Sozialdemokratie erinnert und ihnen vor Augen geführt, warum es sich lohnt, für die Rechte der Menschen zu kämpfen. Andererseits schlägt er die Brücke zur Gegenwart und verdeutlicht, warum der Gründungsauftrag heute wichtiger denn je ist.

Darüber hinaus ist es entscheidend, den eigenen Standpunkt glaubwürdig und authentisch zu vermitteln. Fühlt sich das Publikum von der Botschaft der Rednerin bzw. des Redners betroffen, kann es sich leichter damit identifizieren. Andreas Babler spricht nicht nur in der „Wir-Form“. Er stellt sich als personifizierte Sozialdemokratie dar, indem er Einblicke in seine Lebensgeschichte gibt, persönliche Erfahrungen mit den Delegierten teilt – er ist als Arbeiterkind aufgewachsen, hat im Semperitwerk am Fließband gearbeitet.

Das Herz zum Leben erwecken

Grundlegend ist, die zentrale Botschaft bzw. das Herzstück mit Argumenten und Beispielen aufzuladen. Andreas Babler hat jede einzelne politische Forderung – von der Arbeitszeitverkürzung über den Klimawandel bis zur Migration und Gleichstellung – mit einer persönlichen Geschichte verknüpft. Dadurch ist es ihm gelungen, die Komplexität der Themen zu reduzieren und diese für das Publikum erlebbar zu machen. Zum Beispiel: „Eine der größten Respektlosigkeiten, die es heute noch in der Arbeitswelt in Österreich gibt ist, dass Frauen für die gleiche Arbeit immer noch weniger Lohn erhalten. Ich habe diese Erfahrung selber in einer Mineralwasserfirma gemacht. Ich habe mit meiner Kollegin, Seite an Seite, über Monate hinweg, auch im Sommer im Akkord gearbeitet. Wir haben beide dieselbe schwere körperliche Arbeit geleistet (…) Wenn es eine Störung gab, mussten wir in die Maschine hineinkriechen (…), am Monatsende hat sie 30 Prozent weniger Lohn bekommen.“

Gezielter Einsatz von rhetorischen Stilmitteln

Neben den inhaltlichen Schwerpunkten ist auch der Einsatz von rhetorischen Stilmitteln wesentlich. Sie dienen dazu, Aussagen zu betonen und anschaulicher zu gestalten. So sind beispielsweise Wiederholungen ein wichtiges Instrument, denn durch das mehrfache Wiederholen von Wörtern oder Wortfolgen wird ihre Bedeutung verstärkt. Andreas Babler hat in seiner Parteitagsrede insgesamt acht Mal das Wort „Bittsteller“ verwendet: „Wir sind keine Bittsteller:innen, wenn wir eine Verkürzung der Arbeitszeit fordern“, „Wir sind keine Bittsteller:innen, wenn wir Seite an Seite mit unseren Frauenorganisationen für gleichen Lohn für gleiche Arbeit kämpfen“, „Auch Gastarbeiter:innen sind keine Bittsteller:innen“. All diese Aussagen zahlen wiederum in die Kerngeschichte, das Herzstück der Rede ein. Darüber hinaus wiederholt er die Formulierung „Wir kämpfen für unsere Rechte“ sieben Mal. Auffallend ist, dass er nur einmal von der SPÖ spricht. Ansonsten ist immer die Rede von der Sozialdemokratie, der Mitgliederorganisation oder einer Bewegung. Auf diese Weise möchte er sich von den Unstimmigkeiten in der Partei distanzieren und Menschen ansprechen, die bis dato vielleicht nicht die typischen sozialdemokratischen Wähler:innen waren.

Eine weitere Besonderheit gilt es noch hervorzuheben: Gegen die SPÖ wird des Öfteren der Vorwurf gerichtet, dass politische Forderungen nicht umgesetzt werden können. Mit diesem Vorwurf hat Andreas Babler gespielt, indem er diese negative Konnotation umgewandelt hat: „Wenn es Träume sind, Kinder aus der Armut zu holen, wenn es Träume sind, Frauen gleich viel zu bezahlen wie Männern (…), dann lohnt es sich, dafür zu kämpfen.“ Gleichsam hat er auf die Erfolge der Sozialdemokratie wie Kollektivverträge, dritte, vierte und fünfte Urlaubswoche verwiesen. „Das sind alles Dinge, die wir zuerst geträumt, dann in unsere Programmatik gebracht, umgesetzt und erkämpft haben“.

Die Gesprächspartner:innen

Dieter Bitschnau ist seit 1997 im Unternehmen und einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter von clavis. Strategische Kommunikations- und Krisenberatung für Unternehmen und halb-öffentliche Gesellschaften sowie Projektkommunikation bei Infrastrukturprojekten und Public Affairs/Politische Kommunikation sind seine Spezialgebiete.

Dieter Bitschnau von clavis
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Christina Kumpusch ist seit 2017 Teil des Bregenzer Teams. Sie ist als Beraterin in den Bereichen Corporate Publishing, Projektkommunikation sowie Change Management tätig. Christina Kumpusch absolvierte einen Bachelor in Sprachwissenschaft und einen Master in Medien an der Leopold-Franzens Universität in Innsbruck.

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Copyright Beitragsbild: SPÖ/David Višnjić

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