Storytelling: Simon Messner über die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Naturwissenschaftler, Bergsteiger, Filmemacher: Simon Messner sucht die Herausforderung. Dabei ist der Sohn von Reinhold Messner sehr ruhig und bedacht. Die vergangenen elf Jahre lebte der gebürtige Südtiroler in Innsbruck. Hier studierte er Molekularbiologie. Vor einigen Jahren gründete er gemeinsam mit seinem Vater Messner Mountain Movie, die sich auf die Produktion hochwertiger Bergfilme spezialisiert hat. Wir von clavis haben uns mit Simon Messner darüber unterhalten, was gute Geschichten ausmacht, wie sie entstehen und was sein persönlicher Zugang zum Thema Content und Storytelling ist.

Wie wird man als Naturwissenschaftler und Alpinist eigentlich zum Filmemacher?

Ich habe in Innsbruck Molekularbiologie studiert und dann im Labor gearbeitet. Aber ich habe gemerkt, dass ich dort nicht ganz glücklich werde, auch weil die Arbeit in der Forschung kaum Zeit für anderes lässt. Und das Bergsteigen war damals bereits meine große Leidenschaft. Eines Tages ist Reinhold in mein Zimmer gekommen und hat gefragt: „Simon, warum machen wir nicht Bergfilme?“ Das klang für mich weniger nach einer Frage, sondern mehr nach einer Feststellung. Und dann dachte ich mir: Warum eigentlich nicht?

Was ist die Grundidee von Messner Mountain Movie?

Mein Vater Reinhold ist nicht nur ein großer Alpinist, er besitzt auch ein unglaubliches Wissen über die Geschichte des Bergsteigens. Und genau diese Geschichten wollen wir mit Messner Mountain Movie erzählen. Das hat viel mit Liebhaberei und Überzeugung zu tun und weniger mit dem Geschäft. Wir haben in fünf Jahren mehr als zehn Filme gedreht, viele sind noch gar nicht bekannt. Gewinne haben wir dabei noch keine gemacht.

Was macht eine gute Geschichte aus?

Das große Thema ist der Berg, seine Geschichte und die Kultur. Dabei ist uns wichtig, dass der Berg selbst im Mittelpunkt steht. Der Berg wertet nicht, er ist einfach da, und der Mensch erprobt sich nur an ihm. Diese Idee versuchen wir in den Filmen herauszuarbeiten und so originalgetreu wie nur möglich wiederzugeben. Es ist nicht notwendig, Lawinen zehnmal so groß zu machen. Was bedeutet es, die Nacht im Notbiwak ohne Schutzausrüstung zu überstehen? Es ist ein Riesenvorteil, dass Reinhold und ich beide aus dem Bereich kommen. Deswegen können wir uns das auch relativ gut vorstellen und versuchen, es authentisch wiederzugeben. Die übertriebene Action, das Zuviel, dagegen verwehren wir uns. Vielmehr geht es darum, Emotionen so wiederzugeben, wie sie auch tatsächlich am Berg gemacht werden können.

Aber ist nicht die Art und Weise, wie Menschen Geschichten konsumieren, heute eine andere?

Durch die Sozialen Medien hat sich viel verändert. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es nur mehr um das Foto oder den Videoclip geht und das Erlebnis selbst völlig in den Hintergrund tritt. Ich war manchmal mit Menschen am Berg unterwegs, da ging es nicht einmal mehr darum, eine Route fertigzuklettern. So nach dem Motto: Das Foto haben wir, jetzt können wir eh abseilen.

Social Media ist nicht grundsätzlich schlecht, aber gerade die Manipulierbarkeit – sowohl der Bilder als auch der Menschen – ist ein großes Problem. Ein Donald Trump wäre ohne Social Media nie Präsident geworden.

Von der Ästhetik her gab es auch beim Film den Trend zur Geschwindigkeit: Die Schnitte wurden immer schneller, man hat versucht, sich gegenseitig zu übertrumpfen, fast wie bei einem Wettrennen. Parallel zur Ästhetik sind Formate entstanden, die genau zu dieser Art des Storytellings passen: kurze Stories, schnelle Cuts.

Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Ich denke nicht. Die hohe Geschwindigkeit und Reizüberflutung sind für den menschlichen Geist ermüdend – man stumpft ab, man will es nicht mehr sehen. Und viele Menschen suchen bereits wieder das Langsame, das Einfache.

Eine gute Geschichte braucht Zeit und dafür das richtige Format. Und diese Zeit muss man sich einfach nehmen. Man muss sich auf eine Geschichte einlassen, ohne alle zehn Minuten zum Handy zu greifen. Diese Versuchung ist dauernd da, darin liegt das Problem. Aber langsam sickert wieder durch, dass es auch um etwas anderes gehen kann, als sich permanent bespaßen zu lassen. Gerade weil unsere Zeit so schnelllebig ist, bin ich zuversichtlich, dass das langsame, schöne Geschichten-Erzählen auch in Zukunft seinen Platz haben wird, vielleicht sogar mehr denn je. Dafür braucht es eine Handvoll Leute, die mutig sind und vorleben, dass es auch anders geht.

Wird es in Zukunft überhaupt noch Geschichten geben?

Das Geschichten-Erzählen ist so alt wie die Menschheit. Deswegen mache ich mir auch überhaupt keine Sorgen, dass Geschichten verschwinden könnten. Menschen waren immer an Geschichten interessiert und werden das auch weiterhin sein. Ich bin überzeugt, wenn eine Geschichte gut erzählt ist, dann funktioniert sie auch heute. Das ist nicht anders als früher: Die Kunst besteht darin, eine spannende Geschichte gut zu erzählen.

Bedeutet das auch, dass man sich mehr Zeit nimmt?

Ganz bestimmt. Wenn ich zum Bergsteigen nach Pakistan reise, dann interessiert mich, wie die Leute dort leben, ihre Kultur. Nur hinfliegen, ins Basecamp rennen und dann auf einen Gipfel steigen, ist zu wenig. Die Kultur, auch die Sorgen und Probleme, die die Menschen dort haben, interessieren mich sehr, die möchte ich mitnehmen.

Hilft einem das Bergsteigen beim Filmemachen?

Ganz bestimmt. Was mich das Gebirge unter anderem gelehrt hat, ist Demut: Demut vor der Natur, vor dem, was uns umgibt. Dass man sich zurücknimmt – auch aus der Geschichte, die man erzählt – darin sehe ich sehr viel Wert und das hat mich auch sehr geprägt.

Simon Messner, vielen Dank für das Gespräch!

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Das Team von clavis berät Sie gerne!

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